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Die Alpbacher Baukulturgespräche als Thinktank für die österreichische Wohn(bau)politik
Die Alpbacher Baukulturgespräche widmeten sich heuer einem ungewöhnlichen Thema. Unter dem Titel „Auf Geld bauen. Gleichheit produzieren oder Ungleichheit aushalten“ wurde die Verräumlichung nationaler und europäischer Geldströme analysiert. Im Besonderen ging es darum, den Zusammenhang zwischen österreichischen Raumordnungsusancen, der bisherigen Praxis des Finanzausgleichs und der Wohnbauförderung herauszuarbeiten.
Hintergrund: Österreich geht erstaunlich sorglos mit der nicht erneuerbaren und nicht nachwachsenden Ressource Boden um. Und nicht minder nachlässig mit den Wohnbauförderungsgeldern, die immerhin zu einem Drittel aus den Lohnnebenkosten rekrutiert werden. Trotz besserem Wissen über die negativen Folgen schreitet die Zersiedelung munter voran – 22 Hektar werden täglich in Österreich verbaut, beim Flächenverbrauch pro Kopf gehören wir zu den europäischen Spitzenreitern. Der Finanzausgleich in seiner derzeitigen Form belohnt diesen Flächenverbrauch. Wer neue Industrie- und Gewerbegebiete oder neues Wohnbauland in seiner Gemeinde widmet, darf auf Mehreinnahmen hoffen.
Die spezielle Problematik bei der Wohnbauförderung besteht darin, dass seit der Aufhebung der Zweckwidmung im Finanzausgleichsgesetz 2009 das über Jahrzehnte so robuste und leistungsfähige System des geförderten Wohnbaus ins Wanken geraten ist. Der Anteil des geförderten Wohnbaus an der Gesamtproduktion ist stark gesunken. Die Datenlage über den Wohnungsneubau in Österreich hat sich enorm verschlechtert. Und die Nachfrage an Wohnraum für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen ist stärker gestiegen als das Angebot.
Andrea Jany brachte auf der im Vorfeld der Baukulturgespräche eingerichteten Online-Plattform ein weiteres Dilemma auf den Punkt: „Wer hat den Überblick über die 9 verschiedenen Wohnbauförderungen und Errichtungstendenzen? Inwieweit existiert eine Vernetzung der Bundesländer? Sollte es nicht eine Stelle geben, die Bevölkerungsströme kennt und entsprechend Bauten und Förderungen koordiniert?“
Föderalismus-Alarm also, wie bei so vielen Baustellen im Lande. Und eine eindeutige Forderung, die sich in Alpbach herauskristallisierte: Es muss wieder Bundeskompetenz aufgebaut werden. Es brauche eine „Zentrale Intelligenz“ für Wohnbau und Raumordnung. Es muss wieder Grundlagenforschung betrieben, die Datenlage verbessert werden, um sozial und räumlich treffsicher Neubau zu produzieren.
Hoffentlich kein frommer Wunsch. Jörg Wippel, Initiator des Forum Wohn-Bau-Politik, regte an, doch die geplante Bundeswohnbauoffensive zu nützen, um neue, zentrale Kompetenz aufzubauen. Und Gerlind Weber, emeritierte Professorin für Raumplanung, forderte die Beiziehung von Raumplanern in die Finanzausgleichsverhandlungen. Komplexe Materien fordern interdisziplinäre Betrachtungsweisen. Das Ziel hat Wippel klar formuliert: „Notwendiges sozial und ökologisch verträglich produzieren an Standorten, wo diese Produktion dringend gebraucht wird“. Die Wegweiser dorthin wurden in Alpbach deutlich sichtbar aufgestellt.