Mai
Jörg Wippel: Warum ein Wohnrechtskonvent?
Barbara RuhsmannAllgemein
Am 30. April 2019 präsentierten wir das Konzept unseres Wohnrechtskonvents 2019 erstmals einer Gruppe von Expertinnen und Experten. Jörg Wippel, Initiator und Ehrenvorstand des Forum Wohn-Bau-Politik, erklärte, warum er dieses Projekt unterstützt:
„Der Zustand des österreichischen Wohnrechts ist besorgniserregend.“ – Nein, dieser Satz ist nicht von mir. Er stammt von Karl Korinek und stand am Beginn seines Referats bei der letzten Parlamentsenquete zum Wohnrecht, die schon lange her ist: Sie fand 1991 statt. Seither gab es viele Regierungen und viele Koalitionsabkommen. Ich habe die fünf herausgegriffen, die es seit dem Jahr 2000 gab bzw. aktuell gibt. In den jeweiligen Kapiteln zum Thema Wohnen finden sich recht gleichlautende Sätze:
- Ziel ist die „Harmonisierung und Vereinfachung der bestehenden gesetzlichen Regelungen“ (Regierungsprogramm 2000-2003)
- Ziel ist die „Verbesserung der Transparenz von Mietverträgen für Vermieter und Mieter im Bereich der Mietzinsbildung“ (2003-2007)
- „Der Wohnungsmarkt muss durch faire Bedingungen für Mieter/innen und Vermieter gekennzeichnet sein.“ (2008-2013)
- Angestrebt wird eine „Reform des Mietrechts im Bereich des Wohnens mit den Zielen größtmöglicher Vereinheitlichung, besserer Verständlichkeit für die Rechtsanwender, transparenter gesetzlicher Ausgestaltung und Leistbarkeit der Mieten.“ (2013-2018)
- Und aktuell: Ziel ist die „Schaffung eines modernen und zeitgemäßen Mietrechts mit einem fairen Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern.“
Ich verfolge die österreichische Wohnpolitik bereits sehr lange, durch familiäre Prägung im Grunde fast mein ganzes Leben lang. Als Bauträger, der in den 80er und 90er Jahren 70 Zinshäuser in Wien saniert und danach rund 2000 Wohnungen neu errichtet hat, begreife ich mich auch als lebendigen Teil dieser Geschichte. Ich war in den 90er Jahren sehr nahe dabei, als der ÖVP-Bautensprecher Otto Keimel im Auftrag der Regierung Vranitzky-Busek gemeinsam mit seinem Pendant von der SPÖ Kurt Eder um ein neues, transparentes Bundeswohnrecht gerungen hat. Und es schmerzt mich bis heute, dass dieses Unterfangen gescheitert ist. Ich habe den Reformansatz von damals nicht vergessen, der da lautete: Die unterschiedlichen Gesetzesmaterien – MRG, WGG, WEG, Wohnbauförderungs- und Raumordnungsgesetze – müssen als kommunizierende Gefäße betrachtet und in ihrer Gesamtheit reformiert werden.
Das im aktuellen Regierungsprogramm formulierte Kapitel zum Wohnrecht halte ich in seinen Ansätzen für richtig, weil es das Thema Wohnen umfassend abhandelt (so wie auch die Koalitionsabkommen davor). Und wirklich enttäuscht wäre ich nur dann, wenn es auch in dieser Legislaturperiode keinen substanziellen Fortschritt im Wohnrecht gibt.
Nun bin ich kein Politiker, und vielleicht fehlt mir auch von daher eine entscheidende Eigenschaft: Geduld.
Das Projekt, das heute und hier vom Forum Wohn-Bau-Politik gemeinsam mit Andreas Kovar und Walter Osztovics gestartet wird, unser Bürgerkonvent zum Wohnrecht, ist entscheidend meiner Ungeduld geschuldet. Ich befürchte zum einen, dass der im Koalitionsabkommen versprochene Mietrechtskonvent frühestens nach der Wien-Wahl stattfindet (wenn überhaupt). Zum anderen halte ich es für falsch, nur das Mietrechtsgesetz in den Fokus zu nehmen. Es muss unser gesamtes gesetzliches System betrachtet, mit frischem Blick analysiert werden – auch unter Einbezug der verländerten Wohnbauförderung.
Ich habe vor mittlerweile vier Jahren die Gründung des Forum Wohn-Bau-Politik initiiert. Es war mir wichtig, dass sich dieser Verein zu einer unabhängigen Plattform entwickelt, die einerseits verschiedene Blickwinkel auf das Thema Wohnen sucht und vernetzt, andererseits neue Veranstaltungsformate entwickelt und ausprobiert.
Als mir dann Anfang dieses Jahres von Barbara Ruhsmann, der Obfrau des Forum Wohn-Bau-Politik, die Idee zu einem Bürgerkonvent zum Wohnrecht unterbreitet wurde, habe ich spontan zugestimmt, dieses Projekt zu unterstützen.
Warum?
- Weil ich darin eine Chance sehe, einen anderen Ton, dringend notwendige neue Sichtweisen für die wohnpolitische Debatte zu gewinnen. Ein Hinweis an dieser Stelle: Seit vielen vielen Jahren gibt es viele viele Veranstaltungen zum Thema Wohnen und Wohnpolitik. Seit sehr vielen Jahren enden diese Veranstaltungen mit gleichlautenden Handlungsaufforderungen an die Politik. Und haben bis heute nicht nichts, aber im Letzten doch wenig bewirkt.
Ich halte es daher für eine Chance für die Sache, im Rahmen eines BürgerInnen-Konvents eine breitere Öffentlichkeit als gewohnt in die Diskussion miteinzubeziehen. - Weil ich – wohl mit Recht – befürchte, dass das Thema Wohnen, je näher die Wien-Wahl rückt, von den Parteien tendenziell unsachlich und wenig kooperativ behandelt werden wird. Unser Konvent kann hier vorneweg einen Kontrapunkt setzen.
- Weil ich nicht aufhören kann daran zu glauben, dass Vernunft stärker ist als ideologischer Starrsinn.
- Und weil ich auch selbst noch etwas lernen will.
Danke, dass Sie heute alle gekommen sind!
Und an den Dank knüpfe ich gleich eine wenig verklausulierte Bitte: Wir brauchen viel Unterstützung bei diesem Projekt. Es würde mich wirklich außerordentlich freuen, Sie für die Teilnahme an unserem Wohnrechtskonvent zu gewinnen, und ich hoffe sehr, dass die heutige Veranstaltung Sie vom Potenzial unseres Wohnrechtskonvents überzeugt!