Forum Wohn-Bau-Politik

Barbara Ruhsmann: Erfahrungsbericht BürgermeisterInnen-Vernetzungstreffen

Barbara Ruhsmann
Allgemein

Die österreichweiten Vernetzungstreffen für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wurden vom Europäischen Forum Alpbach, dem Österreichischen Gemeindebund und dem Flüchtlingskoordinator Christian Konrad veranstaltet. Sie fanden im Jänner 2016 in Wieselburg (NÖ), Markt Hartmannsdorf (Stmk.) und Zirl (T) statt. Das Forum Wohn-Bau-Politik war eingeladen, an der Planung dieser Treffen mitzuwirken und vor Ort, Beratung für Gemeinden anzubieten, die an Neubau-Projekten interessiert sind.

Foto: Luiza Puiu/ Europäisches Forum Alpbach

Geladene Neubau-ExpertInnen:
Konrad Duelli & Andreas Postner (transfer.wohnraum.vorarlberg); Markus Fischer (F2-Architekten) & Hans-Christian Obermayr (Obermayr Holzkonstruktionen); Sabine Kornberger-Scheuch & Anton Holzer (Rotes Kreuz Salzburg); Barbara Ruhsmann & Jörg Wippel (Forum Wohn-Bau-Politik)

Bei den Vernetzungstreffen im Jänner 2016 wurde ein besonderer Schwerpunkt auf den Wohnungs-Neubau gelegt. Angesichts Tausender derzeit obdachloser oder nach wie vor in Notunterkünften untergebrachter Flüchtlinge gibt es berechtigten Grund zur Annahme, dass die Aktivierung von Leerstand und die Vermittlung von Privatquartieren verschiedenster Art nicht ausreicht, um alle Menschen würdig unterzubringen. Es geht daher um die Frage, auf welche Weise sehr rasch und kostengünstig neuer Wohnraum errichtet werden kann.

Wie das funktionieren könnte, wurde bei allen drei Treffen anhand folgender Best-Practice-Beispiele gezeigt:

  • transfer.wohnraum.vorarlberg“: Kostengünstiger Wohnbau in Holztafelbauweise für Flüchtende und Ortsansässige. Die Bauplätze kommen von der Diözese (Baurechtsverträge). Es entstehen klein-strukturierte Einheiten für maximal 25-30 Menschen. Die neuen Holzbauten sind integraler Bestandteil und Impuls der Gemeindeentwicklung. Als Bauträger für die ersten Projekte, die ab dem Frühjahr 2016 realisiert werden, fungiert die gemeinnützige „Wohnbau Selbsthilfe Vorarlberger Genossenschaft“. Es wird gleichzeitig im gleichen Programm für Flüchtende und Ortsansässige gebaut.
  • „Pop-up-Häuser“: Das oberösterreichische Architekturbüro F2 hat gemeinsam mit der Firma „Obermayr Holzkonstruktionen“ transportable Holzboxen entwickelt, die jederzeit wieder abgebaut und an einem anderen Ort aufgestellt werden können. Präsentiert wurde das Modell am Beispiel eines StudententInnenwohnheims in der Seestadt Aspern in Wien, das innerhalb einer Woche errichtet wurde. Kosten konnten nicht nur durch die Fertigteil-Bauweise reduziert werden, sondern vor allem durch die Umgehung des Grundstückskaufs. Errichtet wurde das temporäre Wohnheim auf einem Grundstück im Nahbereich der öffentlichen Hand, das erst in frühestens fünf Jahren regulär bebaut werden soll.
  • Holzhäuser – Rotes Kreuz Salzburg: In Seekirchen und Tamsweg hat das Rote Kreuz dreigeschossige Holzhäuser errichtet, die insgesamt Wohnraum für rund 150 AsylwerberInnen bieten. Die Planung, Produktion und Errichtung wurde von lokalen Unternehmen durchgeführt. Innerhalb von drei Monaten – gerechnet vom Produktionsbeginn der Fertigteile – waren die Häuser bezugsfertig. Die Errichtungskosten werden durch den Tagsatz für Asylwerber aus der Grundversorgung refinanziert. Die Häuser sind abbaubar und können vom Roten Kreuz für zukünftige Einsätze wiederverwendet werden.

Das Thema Neubau wurde von vielen der bei den Vernetzungstreffen anwesenden BürgermeisterInnen nicht als prioritär empfunden. Schon allein deshalb, da sie großteils bereits Asylwerber in bestehenden Gebäuden untergebracht haben und zuvorderst mit Betreuungs- und Integrationsfragen beschäftigt sind.

Ein weiterer Grund mag darin liegen, dass großvolumige Bauten mit vorgefertigten Holzelementen in Österreich bis vor kurzem nicht üblich waren, und es für eine Gemeinde keine kleine Herausforderung darstellt, sich über so ein Projekt zu wagen.

Daher wurde in Wieselburg und Hartmannsdorf ein Arbeitskreis zum Thema Neubau angeboten. Der gemeinnützige Verein „Forum Wohn-Bau-Politik“ bot dabei Gemeinden an, sie bei der Umsetzung von sozial integrativem Wohnraum für AsylwerberInnen und einkommensschwache Bevölkerungsgruppen zu beraten. Der Verein verfügt über ein breites Netzwerk an ExpertInnen aus den Bereichen Bauträgertum, Raumplanung, Architektur, Banken, Verkehrsplanung und Bauindustrie, die alle für kostenlose Erstberatungen der Gemeinden zur Verfügung stehen würden.

Im Arbeitskreis ging es um die zentrale Frage der Suche nach und Bereitstellung von geeigneten Grundstücken, das Thema Baurecht und um Finanzierungsmöglichkeiten. In der Diskussion wurden dabei vor allem Zweifel laut, wie qualitätsvoll und nachhaltig Fertigteil-Bauweisen sein können. Von Gemeinden, die über geeignetes Bauland verfügen und auch Neubau-Projekte in nächster Zukunft vorhaben, wurde klar kommuniziert, dass sie diese Vorhaben gerne mit den vertrauten Wohnbau-Unternehmen ihres Bundeslandes abwickeln möchten und es eher ablehnen, selbst zum Bauherr zu werden oder neue Partner ins Boot zu holen. Ein oft gehörter Einwand war, dass es vor der eigenen Bevölkerung, die oft in durchaus prekären Wohnverhältnissen lebt, nicht vertretbar sei, wenn nun für Asylwerber ein neues Haus gebaut werde. Auch der Idee, dass man diese Häuser gemischt nutzen könne und solle (also Wohnungen für Asylwerber und Einheimische oder Platz für Einrichtungen der Gemeinde dort > Kindergarten, Vereinslokale etc.), wurde nicht viel abgewonnen.

Ein Fazit dieses Arbeitskreises war, dass es Pioniergemeinden braucht, die zeigen, wie solche neuen Bauprojekte erfolgreich verwirklicht werden können. Das Modell „transfer.wohnraum.vorarlberg“ geht ja demnächst in die Realisierung. Wenn dort sichtbar wird, dass kostengünstiger Wohnbau für Flüchtende und Ortsansässige tatsächlich einen essenziellen Beitrag für langfristige Gemeindeentwicklung und soziale Integration leistet, könnte das auch BürgermeisterInnen in anderen Bundesländern ermutigen.

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