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Barbara Ruhsmann: Blitzlicht in die Historie II – Wohnen heißt „Leben im eigenen Haus“

Barbara Ruhsmann
Allgemein

Blitzlicht in die Historie II:
Wohnen heißt „Leben im eigenen Haus“

Aus der Sitzung des Nationalrates vom 29. Juni 1967

Seit der letzten gesetzlichen Änderung in Sachen Wohnbauförderung sind 13 Jahre vergangen. Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen haben sich verändert. Die Parteien sind sich einig, dass es im Gesetz Adaptionen braucht. Aber welche das sein sollen, ist höchst umstritten. Dem neuen „Wohnbauförderungsgesetz 1968“ gehen heftige Debatten im Nationalrat voraus.

Ausgangssituation

Die ÖVP unter Bundeskanzler Josef Klaus regiert mit absoluter Mehrheit. Österreich geht es wirtschaftlich besser. Die größte Wohnungsnot ist beseitigt: Die letzten Barackenlager wurden Mitte der 60er Jahre aufgelöst bzw. abgerissen. Zwischen 1945 und 1965 wurden mehr als 760.000 Wohnungen neu errichtet. Der Wohnungsfehlbestand ist allerdings nach wie vor hoch, die Angaben schwanken zwischen 300.000 und 500.000 Wohnungen.

Die beiden Großparteien stellen dieselbe Diagnose: Es fehle vor allem an ausreichend großem und qualitätsvollem Wohnraum für Familien. Den Wohnungsbestand beschreibt Hermann Wielandner von der SPÖ so: „Wir haben Wohnungen von zu geringer Größe, mit zu niedrigem Wohnkomfort und ein zu hohes Durchschnittsalter des Baubestandes. 26 Prozent der Normalwohnungen in Österreich haben nur einen Wohnraum, 34 Prozent etwa zwei Wohnräume, 52 Prozent kein WC und 36 Prozent keine Wasserentnahme in den Wohnungen. 27 Prozent der Wohnungen sind in Häusern, die vor dem Jahr 1880 erbaut worden sind.“

Streitpunkt Eigenheim-Förderung

Wie vorhin erwähnt, sehen es alle Parteien als dringlichste Aufgabe, neuen Wohnraum für Familien zu schaffen. Dass die ÖVP nun aber vorsieht, gleich zwei Drittel der Förderungsmittel für die Errichtung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen zu verwenden, stößt bei der SPÖ naturgemäß auf großen Widerspruch. Weiters kritisieren SPÖ und FPÖ, dass Förderungsnehmer zusätzlich Eigenmittel benötigen und das geförderte Eigenheim daher für die wenigsten Familien finanziell zu stemmen sei.

Interessant ist, wie sich bei der ÖVP im Vergleich zu 1954 das Eigentumsverständnis verändert hat und was das auch über den „Zeitgeist“ Ende der 60er Jahre aussagt: Franz Prinke argumentiert 1954, dass die Förderung von Eigentum den Menschen „seiner Heimat verpflichtet“. 13 Jahre später wird Eigentum bereits als individuelles Recht verstanden und mit keinen gesellschaftlichen Pflichten in Verbindung gesetzt. In den Hintergrund rückt damit auch der soziale Auftrag der Wohnbauförderung. Wohnen wird als individuelles Bedürfnis definiert, für das der Einzelne auch selbst Verantwortung übernehmen muss.

Walter Hauser, ÖVP: „‘Wohnen‘ heißt für uns – bei aller sozialen Gebundenheit – leben im eigenen Haus oder doch wohnen in den eigenen vier Wänden. Eine solche individuelle Art, dieses existenzielle Bedürfnis zu befriedigen, ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, daß sich unsere Persönlichkeit in individueller Weise entwickeln kann.“

Hans Vollmann, ÖVP: „Das Eigenheim bringt den großen Vorteil, daß gesunde und wohl auch räumlich ausreichende Wohnungen für eine Familie geschaffen werden. Es hat den Vorteil, daß es in einem Garten steht, der natürlich auch der Familie noch mehr Bewegungsfreiheit sichert. Die Familie ist in sich abgeschlossen, und es entstehen keine oder viel weniger Reibereien mit den Nachbarn.

Das in dieser Nationalratssitzung beschlossene „Wohnbauförderungsgesetz 1968“ war wohl wesentlich mitverantwortlich für die heute viel beklagte Zersiedelung Österreichs. Doch von den mannigfaltigen Folgekosten der großzügigen Eigenheim-Förderungen ahnte die Politik damals noch nichts.

Blitzlicht-Ende

Fortsetzung folgt

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