Forum Wohn-Bau-Politik

Jörg Wippel: Privat + Stadt

Barbara Ruhsmann
Allgemein

Partnerschaft als wirtschaftliches und soziales Erfolgsmodell

Impulsreferat, gehalten im Rahmen des 65. Österreichischen Städtetags (10.-12. Juni 2015), im Arbeitskreis „Leistbares Wohnen“

Hartnäckig wird in wohnpolitischen Debatten eine alte Polarisierung aufrechterhalten, die den gemeinnützigen Wohnbau als sozial und gerecht darstellt und die private Immobilienwirtschaft als Rendite-orientiert und unsozial.

Dass das so nicht ganz stimmt, weiß jeder, aber in ihrer Einfachheit kommt die Botschaft noch immer gut an. Dabei geht es längst um etwas ganz anderes:

  • Um das Erkennen und Anerkennen der wechselseitigen Abhängigkeiten,
  • um ein Voneinander-Lernen im Positiven
  • um das Erkennen der „Wirtschaftlichkeit“ sozialen Handelns und das Erkennen der sozialen Dimension wirtschaftlichen Handelns.

Ein kurzer Exkurs in die Praxis

Die wvg wurde 1985 gegründet und hat bis zum Jahr 2000 knapp 70 Total- und Sockelsanierungen von Zinshäusern ausschließlich mit Förderungsmitteln umgesetzt. Seit dem Jahr 2000 ist meine Firma ebenso ausschließlich im ungeförderten Wohnungsneubau in Wien und seiner näheren Umgebung tätig.

Die wvg agiert unüblich:

  • Wir bauen Eigentum in Lagen, die von anderen gewerblichen Bauträgern gemieden werden.
  • Wir bauen nicht nur, aber hauptsächlich leistbares Eigentum.
  • Wir bauen in Kooperation mit gemeinnützigen Bauträgern, dem geförderten Sektor.

Warum wir das tun:

  1. Spannende Liegenschaften sind Großliegenschaften.
  2. Auch Großliegenschaften sind für den geförderten Wohnbau zunehmend zu teuer und für den privaten Bauträger oft durch Lageeinschränkungen beeinträchtigt.
  3. Der Erwerb großer Liegenschaften ist daher im Grunde nur mehr in Kooperation von gemeinnützigen und privaten Bauträgern sinnvoll und machbar.
  4. In der Großliegenschaft liegt aber ausschließlich der wirtschaftliche Erfolg, denn 3 x 10.000 qm ist allein von der Kostenstruktur her unverhältnismäßig wirtschaftlicher als 30 x 1000 qm.
  5. Die unterschiedliche Basis-Motivation von Gewerblich und Gemeinnützig sorgt für den lebendigen Wohnungsmix und damit für die notwendige soziale Integration innerhalb der Wohnhausanlagen und des Quartiers.
  6. Benefit des Systems: geförderte Wohnungen an Standorten, wo es sie sonst sicher nicht mehr gäbe; ungefördertes Wohnungseigentum an Standorten, wo Wohnungseigentum allein aus Lageeinschränkungen nicht marktkonform wäre.
  7. Was tun wir konkret?
    a) Der Gemeinnützige errichtet nach relativ starren Regeln geförderte Miet- oder Mietkaufwohnungen, der Freifinanzierte errichtet Eigentumswohnungen. Das führt zu einem rechtlichen, finanziellen und einkommensmäßigen Nutzermix und zu sozialer Integration insbesondere dann, wenn man gemeinsam danach trachtet, dass alle allgemeinen Projektteile (Kindergärten, Geschäfte, öffentlicher Platz im öffentlichen Durchgangsbereich, Grünflächen, Partyräume etc.) für alle Bewohner der Anlage gleichermaßen frei zugänglich sind. Dies führt auch zu
    b) einer systemimmanenten sozialen Durchmischung unterschiedlichster Gesellschaftsgruppen.
  8. Die Preisbildung im freifinanzierten Eigentumsbereich muss dies berücksichtigen, wenn wir nicht Leerstehungen riskieren wollen. Der positive Effekt dieser von uns gefahrenen „Economy“-Schiene besteht darin, dass die Käufer unserer Eigentumswohnungen mehrheitlich aus dem Bezirk bzw. dem Stadtteil selbst kommen, und somit darin, dass es weder soziale noch politische „Abstoßung“ gibt.
  9. Die daraus resultierende scheinbare Selbstbeschneidung in der Maximierung von Wohnungsverkaufspreisen führt in Wahrheit wegen der damit ausgelösten Projektgrößen zu einer größeren Wirtschaftlichkeit des nicht-geförderten gewerblichen Bauträgers über die Baulosgrößen und die politische Akzeptanz in den Quartieren.
  10. Wer auf Ertragsmaximierung statt –optimierung setzt, ist kein notwendiger Teil eines Versorgungssystems, wird also weder als Freund begrüßt noch als sachliche Notwendigkeit empfunden.
  11. Unsere scheinbare Selbstbeschneidung ermöglicht funktionierende lebendige Wohnhausanlagen mit geringem Leerstand, was naturgemäß auch gut für die Wohnungen der gemeinnützigen Partner ist.
  12. Das gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen den Partnern ermöglicht wiederum neue Projekte, steigert das Volumen der Bautätigkeit, steigert den Ertrag.
  13. Und so kann es also sein, dass sozial integrativer Wohnbau zu einem Motor für die Betriebswirtschaftlichkeit des ungeförderten gewerblichen Bauträgers wird.

Soweit ein sehr kondensierter Exkurs in die wvg-Praxis.

Ich halte mir zugute, dass ich in einem für gewerbliche Bauträger unüblich hohen Ausmaß Verständnis sowohl für die Zwänge und als auch für die positiven inhaltlichen Impulse kommunaler Politik und gemeinnütziger Bauwirtschaft habe.

Umgekehrt mangelt es den kommunalen Verwaltungsapparaten leider sehr oft an Verständnis für die Zwänge und Notwendigkeiten, denen ein gewerblicher Bauträger unterliegt. Es ist so banal wie wahr: Für uns ist Zeit Geld. Wir brauchen von der öffentlichen Hand schnellere Entscheidungen und vor allem auch Rechtssicherheit.

Nur zwei Beispiele dazu:

  • Wir arbeiten immer wieder in Kooperation mit gemeinnützigen Bauträgern. Bis unsere Partner aber einen endgültigen Bescheid bekommen, ob sie für ein Projekt eine Förderung erhalten oder nicht, kann sehr viel Zeit vergehen. Es entstehen Verzögerungen von 1 bis 1 ½ Jahren, die unseren Partner nicht unmittelbar in seiner Existenz bedrohen, uns aber sehr wohl. Ob ein Projekt zwei oder sechs Jahre für die Fertigstellung braucht, ändert nichts am Verkaufspreis der Wohnungen, sehr wohl aber an den Ausgaben – der Gewinn schwindet, wird negativ. Die öffentliche Hand kann nicht in Konkurs gehen, für den privaten Unternehmer ist das eine permanente reale Gefahr. Hier fehlt es zu oft an Verständnis von Seiten der öffentlichen Verwaltung.
  • Wenn ein Bauträger bei der zuständigen Magistratsabteilung in Wien einen Widmungsantrag stellt, ist relativ unabsehbar, wann eine Antwort zu erwarten ist, da die Behörde bei der Bearbeitung des Antrags an kein Zeitlimit gebunden ist bzw. es sich dabei um einen Hoheitsakt handelt.

 

Für uns dagegen ist Zeit, wie gesagt, Geld.

Daher mein Appell: Es geht um ein gemeinsames Lernen. Privat + Stadt brauchen einander. Legen wir uns keine Steine in den Weg, sondern bauen wir gemeinsam im Sinne sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit.