Forum Wohn-Bau-Politik

Jörg Wippel: Wohnpolitische Zukunftsszenarien

Barbara Ruhsmann
Allgemein

Jörg Wippel: Wohnpolitische Zukunftsszenarien

Statement im Rahmen des STANDARD-Wohnsymposiums „Zuständigkeit für Wohnpolitik“, 23.2.2017, Wien

Ich stelle fest, dass die österreichische Wohn(bau)politik seit 1993 nicht mehr so bewegt war, wie sie sich gegenwärtig darstellt.

Wir haben einen Finanzausgleich, der die Finanzierung der Wohnbauförderung komplett neu aufgestellt hat. Wir hatten einen Plan A, der auf eine Reform des Mietrechts fokussierte und auf eine Motivierung der gemeinnützigen Bauträger. Und jetzt haben wir ein datiertes neues Arbeitsprogramm der Regierung, in dem zwar kein Wort mehr über eine Wohnrechtsreform steht, dafür viel zur Baulandmobilisierung und sehr Neues betreffend der Mobilisierung des „schlafenden“ Eigenkapitals der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen.

Politikerfahrene gelernte Österreicher neigen manchmal zum Zynismus. Das möchte ich vermeiden. Ich habe versucht, mir den bestmöglichen Ausgang all dieser Reformbemühungen vorzustellen. Der würde meiner Ansicht nach so ausschauen:

Ab 1.1.2018 hat Österreich es geschafft, sich auf bundesweit einheitliche technische Vorschriften der Bauordnung zu einigen. Die einheitliche Bauordnung ist auf das Wesentliche – die Errichtung von sicheren Gebäuden – konzentriert, bricht mit dem Normenwahn und ermöglicht österreichweit einheitliche Planungsprozesse. Planungsausführende sparen sich Zeit und Geld, die Mobilität der Unternehmen wird erhöht, Bauprojekte werden beschleunigt, Bürokratie abgebaut.

Mit 1.1.2018 hat jedes Bundesland intensiv darüber nachgedacht, welchen Wohnbauförderungsbeitrag es nun selbst einheben will und wie die verantwortungsvolle Verwendung dieser Gelder ausschaut. Jedes Bundesland hat auch gründlich seine Wohnbauförderungsrichtlinien überarbeitet – hinsichtlich der Standards, vor allem aber hinsichtlich der Einkommensgrenzen und anderen sozialen Kriterien für geförderten Wohnbau. Die Politik ist sich der Not der einkommensschwachen Bevölkerungsschichten bewusst. Es werden in jedem Bundesland zweijährige Wohnbauprogramme erstellt, die sowohl auf Landes- und Regionalentwicklungsprogramme (Stichwort Baulandmobilisierung, Ortskernstärkung, Bodenschutz) Rücksicht nehmen, vor allem aber soziale Schwerpunkte setzen.

Insgesamt werden Bauvorhaben und Wohnungen billiger – auch und vor allem im geförderten Wohnungswesen. Das untere Einkommensdrittel findet adäquate Wohnangebote vor. Österreich beweist zum wiederholten Mal sein herausragendes Talent, die Bevölkerung optimal und bedürfnisgerecht mit Wohnraum zu versorgen.

Ich gebe zu, das ist ein sehr optimistisches Bild. Pessimisten würden das Folgende dagegenhalten:

Die im Finanzausgleich für die Wohnbauförderung präsentierten Änderungen scheitern allesamt. Die Länder denken nicht daran, an einer einheitlichen Bauordnung zu arbeiten, sie erkennen keinerlei Sinn darin. Sie heben zwar den Wohnbauförderungsbeitrag nun selbst in unveränderter Höhe ein, nehmen es aber mit der Verwendung der Gelder nicht alle gleich ernst. Als Konsequenz wird der Wohnbauförderungsbeitrag in nicht allzu ferner Zukunft abgeschafft. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft schafft sich ebenfalls sukzessive selber ab, indem sie sich weiter vermehrt dem freifinanzierten Wohnbau widmet. Sie öffnet sich dem Markt, öffnet sich Anlegern. Sozialer Wohnbau findet, wenn überhaupt, nur noch auf kommunaler Ebene statt. Der Rest ist neoliberale Wohnungswirtschaft, so wie fast überall sonst auf der Welt auch. Einkommensschwache Bevölkerungsgruppen geraten auf dem Wohnungsmarkt unter zunehmenden Druck – mit allen Konsequenzen, die das dann auch für den sozialen Frieden und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft hat.

Ich habe mich gefragt, was ein unzynischer Mittelweg zwischen optimistischer und pessimistischer Zukunftssicht sein könnte. Vielleicht der:

Die Reformbemühungen des Bundeskanzlers und des Finanzministers zeitigen eine Art Flurbereinigung.

Diejenigen Länder, die bereits in den vergangenen Jahren um soziale Treffsicherheit der Wohnbaufördergelder bemüht waren, werden nun, da sie die Beiträge auch autonom einheben, noch verantwortlicher mit den Geldern umgehen. Schwarze Schafe unter den Bundesländern werden dadurch umso sichtbarer und unter Druck gesetzt, die Mittel entweder zweckgewidmet einzusetzen oder auf den Beitrag zu verzichten.

Gemeinnützigen Bauträgern, die de facto nur mehr freifinanziert agieren und den Großteil ihres Bauvolumens mit ihren gewerblichen Töchtern errichten, wird der Status der Gemeinnützigkeit entzogen. Wo kein Vermögensbindungsprinzip mehr aufrechterhalten wird, soll auch keine Steuerbefreiung mehr gelten. Im Gegensatz zu ihnen werden die tatsächlich gemeinnützig agierenden Bauvereinigungen gestärkt. Es entsteht sozusagen eine Achse des Guten quer durch das Land mit dem Ziel, den sozialen Wohnbau neu aufzusetzen. Basierend auf genauen Bedarfs- und Bedürfnisanalysen. Abgestimmt auf Landes- und Regionalentwicklungspläne und den jeweiligen Raumordnungszielen Rechnung tragend.

Grundsätzlich sind alle drei der hier gezeichneten Optionen offen. Alle Verantwortungsträger haben noch rund 10 Monate Zeit, mit den bundespolitischen Vorgaben konstruktiv zu arbeiten oder eben auch nicht. Es steht jedenfalls viel auf dem Spiel – letztmalig im Wohnungswesen der 2. Republik.

Eine Anmerkung zum Schluss: Ohne eine durchgreifende Wohnrechtsreform bleiben allerdings optimistische und realistische Szenarien Druckwerk oder anders gesagt: Makulatur.

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